Zebras, Stress und der Gruppendruck
Robert Sapolsky, Professor der Biologie und Neurowissenschaft an der Stanford University, hat durch seine Forschung des Verhaltens wilder Tiere Schlüssel auch für menschliches Stressverhalten gefunden.
„Warum Zebras keine Geschwüre bekommen“ heisst der Titel auf deutsch, weil sich Prof. Sapolsky durchaus bewusst ist, dass hohe Belastung, Sorge und stete Anspannung im Körper Reaktionen nach sich ziehen können, die „stressrelatierte Krankheiten“ genannt werden, und die spezifisch beim Menschen, bei Menschenaffen und im Tierversuch, aber kaum in der freien Natur vorkommen.
Obwohl dieses Videos nur auf Englisch im Netz steht, sprechen schon seine Bilder eine deutliche Sprache:
Hochdramatische Szenen von Überleben oder Tod, wo die Zebras am Wasserloch von Leoparden gejagt werden, Panik und Aufbietung aller Kräfte! Das ist der Inbegriff der physiologischen Stressreaktion, die dennoch alltäglich ist in der freien Natur. Und was tun die Zebras, Minuten nach dem Angriff? … (Schau noch mal nach!)
Das ist der Grund für den Titel des Videos und Buches von Sapolsky.
Die Natur lehrt das Loslassen
Die gleiche Fähigkeit zum „Abschütteln“ und hinter sich Lassen von Schreck-, Kampf- und Fluchtmomenten haben er und andere Forscher wie Peter E. Levine (der Autor von „Das Erwachen des Tigers – Traumaheilung„) überall im Tierreich gefunden. Die Erstarrung eines „Totstell“-Reflexes löst sich, sobald die akute Lebensgefahr vorüber ist. Die atemberaubende Flucht endet in einer momentanen Sicherheit, und augenblicklich fällt der Stress ab. Der Revierkampf ist ausgetragen, Distanz ist wieder geschaffen, beide Gegner schütteln sich und gehen ihrer Wege.
Was können wir Menschen also in punkto Stressbewältigung von diesen wilden Tieren lernen?
Auch wenn die Anlässe unserer Stresses weniger dramatisch sein mögen, fehlt uns oft das Signal „Gefahr gebannt!„, das ein Umschalten auf den Normalmodus zur Folge hat. Dieses Signal wird von uns nicht wahrgenommen oder nicht umgesetzt, so wie sich Zebras schütteln oder Enten mit den Flügeln schlagen. Solch ein körperliches „Umschalteritual“ wird gebraucht, um die Anspannung der Nerven, den Blutdruck, und den Muskeltonus wieder senken zu können.
Den ganzen Körper auszuschütteln wäre ein adäquates Ritual. Der gestauten Energie und Spannung einen Ausdruck und Auslass bieten steht dahinter. Dies kann individuell umgesetzt werden, und dazu brauchen wir Erlaubnis und Ermutigung!
Warum nehmen wir kein Entwarnungssignal wahr?
Wie würdest Du darauf antworten?
„Häufig löst eine Stresssituation die nächste ab“?
„Die Gedanken sind schon bei der nächsten Hürde“?
„Da ist einfach zu viel von allen Seiten“?
Auch in der Natur gibt es keine garantierte Sicherheit. Gefahren können überall lauern. Und doch schafft es ein Zebra, ruhig zu grasen.
Diese Haltung, die man bei wilden Tieren innerhalb ihres biologischen Code findet, trifft man bei Menschen mit „Gottvertrauen“ an. Das hat nichts mit kirchlichem Glauben zu tun, aber viel mit der Akzeptanz seiner Eingebundenheit und Zugehörigkeit zum Gesamtsystem Erde, und mit dem Leben im Jetzt. Und das sind Dinge, von denen die meisten von uns durch das eigene „vorausschauende“ Denken, die eigenen Sorgen und Befürchtungen abgehalten werden.
Das Bedürfnis zu kontrollieren
Vorausschauen zu können ist ein Vorteil. Dabei den Fokus nur auf das zu richten, was wir vermeiden wollen, ist aber weniger hilfreich als man meint: kennst Du das kitzlige Gefühl, auf einer vereisten Straße zu fahren, links uns rechts Gräben? Richtest Du die Aufmerksamkeit auf den Graben so dicht neben Dir, magst Du bemerken, dass er Dich trotz Bemühens wie magisch anzieht. Ein klares erreichbares Ziel vor Augen, und die Flexibilität, auf Unebenheiten instinktiv zu reagieren, helfen Dir besser durch die Situation. Das ist der Einsatz von positiven Zielvorstellungen und von „Gottvertrauen“ – oder Selbstvertrauen? Denn das setzt Signale für Deinen Körper und für Deine Umwelt.
Das Umschalten auf Gelassenheit nach der unmittelbaren Bedrohung kann man wieder lernen, und auch, eine wirkliche von einer eingebildeten Bedrohung zu unterscheiden. Davon später mehr.
Gesellschaftlicher Wandel – Paviane haben es uns schon vorgelebt!
Eine weiteres langjähriges Projekt von Sapolsky war Verhaltensforschung an einer Gruppe von Pavianen. Diese leben in Gesellschaften von strenger Hierarchie, und wurden dem Forscher durch absichtliche Akte gegenseitigen Quälens sogar recht unsympathisch. Messungen ergaben bei den niedrigen Rängen in der Hierarchie erhöhte Werte für Blutdruck, Schlagfrequenz des Herzens, und den Stresshormonspiegel im Blut, die Auswirkungen auf die Potenz, auf das Immunsystem und die Funktionsfähigkeit des Gehirns bis hin zu depressionsähnlichen Symptomen haben.
Zur Stressforschung bei Pavianen, die ein dem Menschen sehr ähnliches Genom haben, ist hier ein weiterer Artikel entnommen aus dem SPIEGEL, der belegt, dass extrem hoher Stresshormonspiegel ausser bei den Rangniedrigen auch bei dem Chef der Gruppe auftritt, warum es in dieser Position in Paviangesellschaften zu hoher Fluktuation kommt. Nachvollziehbar ist das auch für Menschen in Manager- und Chefpositionen…
Ein katastrophales Ereignis, bei dem praktisch alle ranghöheren Tiere durch Vergiftung umkamen, ermöglichte in Sapolskys Affengruppe dann überraschenderweise einen nachhaltigen Wechsel der Gesellschaftsstruktur!
In einer Gruppe, die nun aus 2/3 Weibchen und 1/3 rangniederen Männchen bestand, setzte sich ein neues Verhalten durch, das durch mehr füreinander-Sorgen und sozialen Austausch gekennzeichnet war. Die strikte Hierarchie hat sich für das Überleben der Gruppe als überflüssig erwiesen und wurde nicht wieder etabliert. Neu dazukommende jugendliche Männchen aus „traditionellen“ Paviangruppen wurden nun durch diese Gruppe zu ihrem neuen Kodex „umerzogen“! Die Gesundheit und Überlebensrate dieser Gruppe hat sich gegenüber anderen deutlich erhöht, und auch nach 20 Jahren hat das transformierte Sozialverhalten Bestand.
Dies legt natürlich Schlüsse auf die mögliche Zukunft menschlicher Gesellschaften nahe…
… ist aber in erster Linie Erklärung und Leitfaden für Deinen eigenen Weg hin zum Umgang mit Belastungen und zur Wahl der akzeptierten Verhältnisse!
Ralf Kopp sagt:
Klar hatte ich auch viel Stress. eher seelischen als anderen. Ich ging erkennbaren Stress-
situation bisher immer aus dem Weg. Ausserdem reagiere ich stets anders, bedingt durch die
Borreliose, die nie richtig ausgeheilt wurde. So kann ich nichts weiter zum Thema Stresser-
fahrungen sagen. Manchmal ist Stress gut fuer mich, er reisst mich aus meiner Lethargie, die
manchmal auftaucht, besonders in den Wintermonaten. So versuche ich mit einer exzentrischen
Person eine Beziehung aufzubauen, um Stress zu bekommen . . .
Ralfi
31. Dezember 2013 um 08:58
Kora sagt:
Das ist ein wichtiger Punkt, den Du ansprichst, Ralf.
Stress wirkt nur negativ auf uns, wenn er als Dis-stress erlebt wird und anhaltend ist. Ansonsten würde man von Eu-stress oder einfach von Erregung und Anregung sprechen.
Wobei auch die Lethargie in den Wintermonaten vor allem in den kühlen Regionen ganz natürlich ist – vergleichbar mit dem Bedarf zum Winterschlaf!
Borreliose ist ein weiteres Thema daneben. Da scheinst Du ein Konfliktthema zu haben, das immer wieder aufflackert, zeitweise gelöst wird, und daher Perioden der Müdigkeit und des Erholungsbedarfs nach sich zieht. Das zu verstehen ist wichtig, damit man nicht dagegen ankämpft, sondern schauen kann, wie man das belastende Thema (erkentlich durch spezifischere Symptome) nachhaltig lösen oder unwichtig machen kann. Dann kann der Zyklus stoppen und die Sache hat die Möglichkeit auszuheilen.
31. Dezember 2013 um 14:19