Katz und Maus und die überraschende Wendung
Beobachtest Du gerne das Verhalten der Tiere? Vielleicht hast Du selbst ein oder mehrere Tiere als Kameraden? Man kann eine Menge durch sie und von ihnen lernen.
Wir haben Katzen, richtige Landkatzen. Die lieben es jetzt im Frühjahr, sich auf der steinernen Eingangstreppe in der Sonne zu aalen und Streicheleinheiten zu erschnurren. Ihre Favoritstellen sind aber Aussichtspunkte. Auf den Dächern der Holzbeigen oder den Kompostkisten sitzen sie gern und ausdauernd, nie zusammen, denn hier geht es ums Jagdrevier!
Jagen ist, ausser Schlafen, eine Hauptbeschäftigung. Seitdem wir Katzen haben, gab es nie mehr Probleme mit Mäusen im Gebälk des alten Holzhauses. Nur als unsere Momo Katzenmama war und ihre Jungen erzog: da schleppte sie nämlich lebendige Mäuse ins Haus, um sich dann geduldig hinzuhocken und den Kleinen bei ihren Hascheversuchen zuzuschauen. Da führten wir Gesichtskontrolle vor der Katzenklappe ein.
Der biologische Code des Jägers – und des Gejagten
Sind die Jäger hungrig, wird die Beute sofort und mit Haut und Knochen verspeist, schnell geht das! Aber es wird auch ohne Hunger gejagt. Spitzmäuse zum Beispiel schmecken wohl nicht, die lassen sie liegen. Gejagt werden sie doch – das ist der biologische Code der Katzen.
Auch ihre Beute hat ihren biologischen Code und ihre Strategien: im Allgemeinen sind es vermehrungsstarke Arten, kleine Tiere mit vielen Schlupflöchern oder mit Flügeln, und sie sind schnell – denn durch rasche Bewegungen wecken sie den Jagdtrieb der Katze.
Sehr interessant ist eine Notfallreaktion, die ich schon oft beobachten konnte und die so mancher Maus, und sogar kleinen Meisen, das Leben gerettet hat: die Katze hat zugeschlagen, hat die Beute unter der Tatze oder im Maul. Nichts rührt sich mehr. Die Katze wartet still ab, gespannt ob da ein Zucken ist, ein Ausbruchsversuch. Erst wenn sie nicht mehr spürt, lässt sie ab, verliert das Interesse, denn diesmal ist sie nicht hungrig gewesen – und da! – war das Beutetier nicht tot, und ist auf und davon.
Dieser Totstellreflex tritt dann ein, wenn kein Ausweg mehr erkannt wird. Das Tier wird schlaff, man könnte sagen es nimmt den Tod schon vorweg, ergibt sich. Anscheinend ist der Lebenswille erloschen. Es ist möglich, dass zusammen mit den herabgesetzten Funktionen des Metabolismus selbst das Empfinden aussetzt, das ist ein sinnvoller und gnädiger Mechanismus der Natur, die ja nicht in sich grausam ist: Wir Menschen mögen uns das so vorstellen, wenn wir interpretieren und unsere eigenen Ängste als Masstab nehmen. Doch die Natur ist, wie sie ist, um sich in dynamischer Balance zu halten. Ich mag den Begriff Homöodynamik dafür.
Und da ist der überraschende Moment, dass der Tote nicht tot war, sondern genau wenn die Bedingungen stimmen, spontan zu Hochleistungen fähig ist – und überlebt.
Von Mäusen und Menschen
Wie viele Menschen hast Du erlebt, die in ihrer Situation festhingen wie in den Fängen eines Raubtiers? Vielleicht kennst Du selber das Gefühl, wie gelähmt zu sein, ohne Antrieb, so wie wartend auf ein Zeichen der Rettung?
Der Ursprung dieses leblosen Gefühls ist im Scheintod, in diesem Notfallprogramm des Beutetiers zu sehen. Denn uns sind noch immer diese in der Natur sinnvollen Programme eingeprägt.
Der Auslöser hier ist Totalüberforderung des Systems.
Und das passiert dem Menschen auch in der heutigen Zeit – weniger durch Bären, Tiger und Wölfe, aber denk welchem Strom von übermächtigen Kräften wir ständig ausgesetzt sind: sowohl im persönlichen Nahbereich durch Entfremdung von unseren „Machthabern“, unserer Versorgung und Verletzung unserer Integrität, als auch global durch die Informationswelt. Wir konsumieren ständig Nachrichten und Informationen, die wir oft weder hinterfragen noch beeinflussen können, aber die uns Ängste macht, Zukunftsängste. Ist es so ein Wunder, dass depressive Zustände zur Volksseuche geworden sind?
Was unterscheidet das Verhalten eines depressiven Menschen von dem der scheintoten Maus?
Dem Menschen steht im Erkennen eines spontanen Auswegs sein eigenes Denken im Wege.
Denn zum Einen ist unser Basisüberleben jetzt und hier selten wirklich in Gefahr. Es sind Ansprüche an uns selbst im Umgang mit unseren Herausforderungen, die uns überfordern, und die eigenen katastrophischen Vorstellungen und Bewertungen.
Unsere wertvolle Gabe, die Fantasie und das Vorausdenken, kann Dich in einen Strudel der Negativität und Ausweglosigkeit hinunterziehen und Dich blind und taub machen für den kurzen Lichtblick, den Sekundenbruchteil der Gelegenheit, der Dir den Ausbruch aus den Fängen des allumfassenden Feindes erlaubt.
Das Auflösen der Erstarrung
Dafür sind die unbewusst arbeitenden Anteile Deines Gehirns geeignet, denn sie sind um vieles schneller und effektiver als das Nachdenken. Wie kannst Du Dir ihre Kraft zunutze machen, genau dann wenn Du sie brauchst?
Zum Öffnen des negativen Vortex unserer Gedanken und Gefühle habe ich Erfahrung mit verschiedenen Möglichkeiten:
Am tiefsten Punkt, da wo kein Widerstand mehr ist, erfolgt der Umschwung, die Transformation. Ich habe erlebt, wie mich dort, wo ich das Schrecklichste erwartet hatte Lachen und Befreiung überkommt, und es Hilfe im Überfluss gibt! Das was es brauchte war die Aufgabe des Willens und Widerstandes an diesem ausschlaggebenden Punkt des Lebens. Eine spontane, zutiefst biologische, rekonnektive Erfahrung.
Eine plötzliche Veränderung des Kontextes katapultiert Dich aus dem Strudel:
Von aussen: eine neue und ganz andere Herausforderung drängt sich auf, unmittelbarer und direkter als Deine Gedanken und Reflektionen.
Selbst hervorgerufen: ein Positionswechsel ändert die Perspektive und relativiert Deine bisherige Wahrnehmung. Der kann physisch sein, aber auch innerlich, durch ein Symbol, einen neuen Gedankenpfad. Oft ist es jemand der Dich an die Hand nimmt und woanders hinführt…
Den bewussten, nachhaltigen Prozess des Umlernens, des „Umprogrammierens“ der hinderlich gewordenen Denk- und Vorstellungsmuster. Durch aufmerksames Wahrnehmen von anderen, erfolgreicheren Mustern in oder ausserhalb Deines Nahbereiches und durch assimilierendes Erlernen solcher Alternativen. So erweitert sich die Erfahrung Deines Ich über das vorher geprägte hinaus.
Hier darf man Geduld mit sich haben, denn unser Organismus liebt es, an Gewohntem festzuhalten und Ungewohntem Widerstand zu leisten.
Jedoch gilt hier „steter Tropfen höhlt den Stein“, es kommt darauf an, diese erfolgreichen Muster wiederholt zu erinnern und zu eigenem Gedankengut zu machen. Affirmationen leisten da gute Dienste, zum Beispiel in Verknüpfung mit Deiner Lieblingsmusik, einer persönlichen bedeutungsvollen Fotocollage an gut sichtbarer Stelle…
Und die abendliche Meditation, wo Du Abstand nimmst vom Tagesgeschehen und andere, innere Räume betrachten kannst, die unendliche Schatzkammer Deiner Ressourcen, geleitet vom Wissen, dass was Du heute noch nicht verstehst, sich klären wird, wenn Du genügend Distanz gewonnen haben wirst.
Kennst Du solche Gefühle und Erlebnisse aus eigener Erfahrung? Was war es bei Dir, was den Umschwung bewirkt hat, die Rückkehr ins Leben und in die Lebensfreude? Je mehr wir miteinander teilen, desto mehr Referenzen fügen wir unseren Schatzkammern hinzu…
Herzliche Grüsse,
Kora