Glückliche Genies durch Konflikte?
„Etwas mehr Hirn, bitte“ – dieses Buch vom Neurobiologen Prof Gerald Hüther, das ich auf der Reise zum META-Health Master-Trainer-Treffen las, hat mich berührt und bestärkt.
Er untersucht hier die Bedingungen, unter denen sich unser Gehirn und vor allem unsere kreativen Fähigkeiten ausprägen und entwickeln – und welche Bedeutung familiäre und gesellschaftliche Normen und Werte dafür haben.
Aus der Biologie verstehen wir, dass unsere vorrangigste Motivation das Überleben ist, tief im unbewussten Stammhirn verankert, und daraus entstand Darwins These vom „Kampf ums Dasein“ – der Konkurrenzdruck als Auslesemechanismus. Sehr naheliegend haben wir Konkurrenz und Siegen-wollen als Norm akzeptiert. Und nicht nur das, wir instrumentalisieren sie als „positiven Antrieb zur Weiterentwicklung“. Das nehmen wir im System unserer Schulen hin, im Beruf, in der Wirtschaft, weil es zu einer sinnvollen Strukturierung zu führen scheint. Im Bereich des Zusammenlebens und der Zusammenarbeit führt es allerdings oft zu nicht enden-wollenden Konflikten, da das Gegenüber als Mitbewerber und Rivale um den „Anteil am Kuchen“ wahrgenommen wird.
So kommt es zu Spezialisierung, das heißt man wird immer besser in einem begrenzten Gebiet, wo man den Konkurrenten nicht mehr zu fürchten braucht. Im Gehirn werden dabei ganz bestimmte neuronale Wege und Verschaltungen gebahnt, die genau diesem Spezialziel dienen. Mit anderen frechen Worten:
Konkurrenz erzeugt Fachidioten und soziale Inkompetenz, aber keine glücklichen Genies.
Dem gegenüber steht die angeborene Neugierde, die Lust am Entdecken und am Selbst-denken, die durch Anpassung an ein Schema, durch „müssen“ und durch Druck eingeschränkt, ja erstickt wird. Gefördert, „gedüngt“ wird sie durch Angebot, durch spielerische Beschäftigung, durch Perspektivenwechsel, durch Anerkennung und Vertrauen. Hier bilden sich im Gehirn vielfältige Verknüpfungen zwischen allen Anteilen, ein großer Vorrat an Werkzeugen und Ressourcen wird dadurch zugänglich, um neue Gedanken und Erfindungen zu kreieren. Das Empfinden von Sicherheit, anstatt Konkurrenz, ist dafür Vorbedingung! – so schreibt Hüther.
Es gibt eine Ausnahme: Individuen, bei denen der Konflikt des Misserfolges, der „Selbstentwertung“ in beiden Hirnhälften getriggert wird, also durch „Leistungs-Konflikte“ sowohl im Partner- als auch im Nestbereich, gelangen in die sogenannte „Megalomanie“- oder Motivationskonstellation. Diese ermöglicht ihnen, auch gegen alle Widrigkeiten Ressourcen in sich zu finden und Großtaten zu vollbringen. Diese Haltung des gesteigerten Selbstvertrauens immunisiert sie auch gegen den sozialen Gruppendruck und den unbedingten Wunsch, dazuzugehören, der so beeinflussbar und das eigene Denken gefügig macht.
Was bedeuten diese Erkenntnisse für uns
… als Lehrer und Inspirateure für eine glückliche Gesellschaft sich selbst heilender Menschen?
Wir können, besonders mit dieser Motivations-Konstellation, für andere einen Schutzraum zum spielenden, experimentierenden Lernen und Entdecken der eigenen Genialität schaffen. Wir können selbst unsere Worte umsetzen und Vorbilder sein, ohne den anderen die eigenen Vorstellungen aufzuzwingen, wir können dadurch die Angst vorm Fehler machen nehmen. Wir können stattdessen nach dem Denkprozess des anderen fragen, und die eigenen Hirnwindungen bereichern!
META-Health begrenzt sich nicht auf die Lehre der biologischen Naturgesetze, sondern lässt zu, diese zu hinterfragen und weiterzuentwickeln – auf den Grundlagen eigener Erfahrung, eigenen Denkens und offener Kommunikation. Und wir können die prägenden Erlebnisse, Kindheitstraumen und behindernden Glaubenssätze aufdecken und transformieren, die uns so lange in der (Selbst-)Sklaverei des Überlebens- und Konkurrenzkampfes festgehalten haben.
Bildquellen:
[1] Screenshot vom Youtube-Kanal www.dasGehirn.info unter Creative-Commons-Lizenz
[2] International Meta-Medicine Association