MOUROS PROMENADE –
oder die Sache des Augen-Blicks

Ich bin gerade an Bord des Fährschiffes „Volcán del Teide“ auf der Reise von Santa Cruz de Tenerife nach Huelva (auf dem spanischen Festland).

Heute liegt fast ein ganzer Seetag vor uns. Es ist sonnig und nur schwachwindig, die Liegestühle auf dem Achterdeck stehen einladend bereit. Klar, dass ich die Chance wahrnehme, etwas Kreuzfahrt-Feeling mitzunehmen. Gemütlich fleeze ich mich auf den nächsten freien Liegestuhl.

Brille ab und auf Genuss-Modus schalten.

Zwischendurch schaue ich mir blinzelnd die Umgebung an. Eine gute Gelegenheit, um mit den von der Computerarbeit überstrapazierten Augen etwas zu spielen. Da oben zum Beispiel, ein Deck höher. Was steht denn da eigentlich über den Fenstern? Nach einer Weile wird es mir klar. Das müsste MOUROS PROMENADE heissen. Nun, das Wort Promenade kenne ich ja. Aber Mouros? Das kommt mir erstmal spanisch vor. In mir spüre ich die Herausforderung, das Wort eindeutig zu identifizieren, ohne den Liegestuhl zu verlassen und ohne gleich zur Brille zu greifen.

Und während ich meinen Fokus auf das ominöse Wort richte, passiert etwas ungewöhnliches: Die Schrift wird immer klarer und aus MOUROS wird WOUROS. Ich vergleiche mit dem Schriftzug daneben. Tatsächlich, wie ich auch schaue, ob mit dem rechten, mit dem linken oder mit beiden Augen, ich bin mir ganz sicher, dass ich gerade PROWENADE dort lese.

Das interessiert mich jetzt doch. Ich greife kurz zur Brille und siehe da: MOUROS PROMENADE. Zweimal ‚M‘ und kein ‚W‘, ganz ohne Zweifel. Also, Brille wieder zur Seite. Und nachdem meine Augen eine Weile mit dem Schriftzug spielen, kann ich ihn auch ohne Brille recht klar lesen. Nur, dass ich jetzt wieder WOUROS PROWENADE sehe. Und würde mich in dem Moment jemand fragen, ich würde ihm bestätigen, dass es ganz klar zwei ‚W‘ sind, die ich dort sehe.

Ein spannender Effekt

Ich lege mich bequem zurück auf den Liegestuhl, schliesse die Augen und lasse das gerade Erlebte auf mich einwirken. Nach einer Weile kommt mir ein Begriff in den Sinn: KLAR. Während ich mit geschlossenen Augen im Liegestuhl liege, fokussiere ich eine Weile auf das Wort KLAR, lasse dabei alle möglichen Empfindungen einfach hochkommen und versuche, sie kurz zu registrieren, ohne sie weiter zu bewerten oder zu vertiefen.

Und dann, Augen auf! Sieh an: MOUROS PROMENADE! Glasklar (und ohne Brille) mit zwei ‚M’s!

Im Laufe dieses Vormittags im Liegestuhl mache ich noch eine weitere faszinierende Erfahrung: Ich kann zwischen den beiden Versionen – mit ‚M‘ oder mit ‚W‘ – beliebig hin- und herschalten. Je nachdem, ob ich auf KLAR fokussiere oder nicht.

Nur ein kurzweiliges Spiel an einem Seetag mitten auf dem Atlantik? Nun, ich denke, dieses Spiel könnte jeder von uns z.B. auch mit seinen „Lebenswahrheiten“ spielen. Alles klar?

Reisegrüsse von Thorsten

Von Thorsten am 1. April 2012 um 18:28 unter Ein- & Aussichten, leichter lernen
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